Wolfgang Beutin (1934–2023)
– Ein engagiertes Leben für Frieden und Aufklärung
Der
Schriftsteller und Literaturwissenschaftler PD Dr. Paul-Wolfgang Beutin
ist am Sonntag im Alter von 88 Jahren in Köthel (Kreis Stormarn)
in der Nähe von Hamburg gestorben. Geboren in Bremen am 2. April
1934 war er tief geprägt von den Kriegserfahrungen, die er immer
wieder in seinen autobiographisch gefärbten Romanen über die
„Familie Beelzow“, etwa „Das Jahr in
Güstrow“ (1985), verarbeitete.
Beutin
studierte an den Universitäten Hamburg und Saarbrücken
Germanistik und Geschichtswissenschaft. In seiner Studienzeit war er
neben seinem Professor Ulrich Pretzel, dem Bruder von Sebastian
Haffner, vom expressionistischen Schriftsteller und Aktivisten Kurt
Hiller beeinflusst. Gemeinsam zogen sie gegen alte Nazis,
Reaktionäre und den Anti-Homosexuellen-Paragraphen 175 zu Felde.
Mit dem Holocaust-Überlebenden Primo Levi pflegte er einen
Briefverkehr, mit Theodor W. Adorno setzte er sich gegen antisemitische
Tendenzen in Bezug auf den Komponisten Gustav Mahler zur Wehr.
Beutins
Wirken ist das eines engagierten Intellektuellen: Wissenschaftler,
Schriftsteller, Unterstützer der sozial-liberalen Koalition von
1969 und der Studierendenbewegung der 1968er. Aktivist gegen die Praxis
der Berufsverbote. Mitbegründer des „Bundes demokratischer
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ (BdWi). Politiker der
„Deutschen Friedensunion“, Mitinitiator des
„Krefelder Appells“ gegen die atomare Konfrontation des
Kalten Kriegs. Gewerkschafter bei der „Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft“ (GEW) und im Schriftstellerverband von ver.di.
Später Mitgründer der „Wahlalternative Arbeit und
soziale Gerechtigkeit“ und der Linkspartei, bis zuletzt dort auf
kommunaler Ebene im Kreis Stormarn aktiv. „Engagement als
Lebensform“ nannte es der deutsch-amerikanische
Literaturwissenschaftler Jost Hermand (1930-2021) anlässlich einer
Tagung zu Wolfgang Beutins 75. Geburtstag.
Die
Hamburger Universität verweigerte ihm die Professur und erteilte
ihm zeitweilig Lehrverbot. Begründung: Verwendung marxistischer
und psychoanalytischer Methoden. Die arbeitsgerichtliche
Auseinandersetzung darum wurde zwanzig Jahre lang von der GEW
unterstützt. In Hamburg sowie in Bremen und in Lüneburg
beeinflusste Beutin zahlreiche Studierendengenerationen. An der
Universität seiner Geburtsstadt erlangte er in späteren
Jahren die Habilitation und Privatdozentur.
Wolfgang
Beutin ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher und belletristischer
Bücher, unzähliger Aufsätze, Kritiken, Aphorismen,
Hör- und Fernsehspiele. Bis zuletzt arbeitete er an
wissenschaftlichen Beiträgen, von denen einige noch posthum
erscheinen. Seine Monographie über die Epoche der
„Aufklärung“, an der er noch an seinem Todestag
arbeitete, wird unvollendet bleiben. Mit seiner Frau Heidi Beutin und
weiteren Mitstreitern plante er für den Herbst 2023 in Lübeck
eine wissenschaftliche Tagung zu Geschichte und Gegenwart des
Pazifismus. Diese wird nun zu seinen Ehren stattfinden.
Anlässlich
seiner Verabschiedung aus dem aktiven Lehrbetrieb an der
Universität Hamburg 1999 schrieb ihm sein Weggefährte, der
Literaturkritiker Hans Wollschläger (1935-2007), in einer
Würdigung: „Du hast, als Lehrer, das Lesen beigebracht, die
richtige Lektüre der Worte und der Taten; die Welt selbst ist
durch Deine Arbeiten lesbarer geworden.“
Heidi Beutin, Lorenz Gösta Beutin, Olaf Beutin und Familie,
Köthel, Kreis Stormarn, 23. Februar 2023.
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