2009 erschien:



Wolfgang Beutin:

Erzählungen
156 S., ISBN 978-3-932696-82-4, 14,80 Euro

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Beutin legt hiermit eine Sammlung von Erzählungen im seit einem Jahr in Neumünster ansässigen „von Bockel Verlag“ vor. Die Geschichten sind überwiegend in Norddeutschland angesiedelt, - mit Ausflügen nach Bayern und Dänemark. Der „Philosophenturm“ auf dem Campus der Universität Hamburg, wo Beutin lange Zeit lehrte, ist auch Schauplatz, - unter anderem mit zwanghaft Fotokopien sammelden Akademikern, mit Leuten, die über Sprache forschen aber Kommunikationsprobleme haben.
Oft stehen „schrullige“ Menschen bei Beutin im Mittelpunkt. So zeichnet der Autor etwa den Lebensweg der „Zigarettenraucherin“ Ilse Ehrentraut nach, - vom Dienstmädchen in Hamburgs besseren Kreisen in den 20er Jahren, die in der zweiten Lebenshälfte in einem Mietshaus im Stadtteil Barmbek lebt, ehe sie ins Pflegeheim Oberaltenallee gebracht wird. Obwohl Ilse Ehrentrauts Leben unspektakulär verlief, arbeitet der Autor ihre skurrilen Eigenheiten heraus und schildert, wie sie sich in „der guten Stube“ einen Tabaksalon einrichtet und sich im hohen Alter gar ihres eigenen langjährigen Ehemanns entledigt, um „neue Freiheit“ zu gewinnen. Gelegentlich scheint es, dass Beutins Figuren geradezu zwanghaft abstrus handeln.
In der Erzählung „Die amerikanische Heirat“ tischt die Hauptfigur, eine attraktive Frau „mittleren Alters“, ihrem Dialogpartner geheimnisvoll Berichte über ihren Gatten auf. Sie macht ihm im Foyer eines holsteiner Tagungshotels glaubhaft, er werde ihren Gatten ganz „bestimmt mehr als einmal gesehen haben“. Am Ende lüftet sie das Rätsel mit geradezu liebreizender Diskretion: Sie gibt sich als Gattin Robert Redfords aus, - nur das sie darauf verzichtet habe, „den Namen des Gatten anzunehmen“.



Inhalt:

Die Zigarettenraucherin / Die Sammler: Das gespeicherte Leben · Der Kommunikator · Die Bücherburg / Die amerikanische Heirat / Liebe via Vordingborg / Das Holzhaus an der Jammerbucht / Meyer willer heißn / Kurzprosa: Die Erzählung des Wachtmeisters - Rumpelstilzchen · Die Erzählung des Professors - Die Spaltung · Die Erzählung des Redaktionsassistenten - Das Attentat · Die Erzählung der Schülerin - Bruch · Die Erzählung der Bibliothekarin - Der neue Kollege · Die Erzählung des Jägers - Der Doppelmord · Die Erzählung des Automatenvertreters - Die Wette · Die Erzählung der Träumerin - Die Mühle · Die Erzählung des Vikars - Fundsachen · Die Erzählung des Patienten - Die Gedenktafel.

Aus einer Besprechung von Ulrike Schwalm:
Er beginnt sie stets im vermeintlichen Plauderton – um dann mit dem Leser den Einbruch des Absurden oder Skurrilen in die nur äußerlich wohlgeordnete Alltagswelt zu genießen. Wolfgang Beutins „Erzählungen“, die jetzt im von-Bockel-Verlag als Paperback erschienen sind, üben eine Sog- und Suchtwirkung auf den Leser aus, gerade weil er in manchmal kafkaesker Manier Abgründe im Aktendasein des akademischen Alltags aufbrechen lässt. Da sitzt sein Alter ego, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Hamburg, im zehnten Stock des „Philosophenturmes“ (er ziert das Buchcover), als ihn plötzlich merkwürdige „Störungen“ vom Flur her von seinen Papierstapeln wegziehen. Schuld ist der „Kommunikator“ (Titel der Erzählung), ein Kollege, der das ganze Institut entlarvt: „....unsere alltägliche Kommunikation bestünde im Fehlen der Kommunikation, der Kommunikationslosigkeit...“ (Beutin). In einer weiteren Erzählung („Die Bücherburg“) wird eine literarische Sammlung einem Professor zum Bollwerk gegen den Tod. Er baut ein zunehmend fragileres Labyrinth aus fast unzugänglichen „Bücherkojen“ in seiner Wohnung auf.
Nicht ankommen können, den Zutritt verwehrt finden – auch das ist ein häufiges Motiv bei Beutin, gerade in diesem neuen Band. So finden in „Der neue Kollege“ (Titel einer Kurzerzählung) die Dozenten ihr Hörsäle morgens immer
schon besetzt, von einem neuen „Lehrkörpermitglied“, das keine Zuhörer hat, aber ungehalten über jegliche Störung ist....“Der neue Kollege“ gehört zu einer Reihe von Kurzerzählungen, die den Band beschließen. Oder krönen. Denn diese Kurzprosa, in der Beutin Menschen in ihrem Duktus erzählen lässt (zum Beispiel eine Bibliothekarin, einen Vikar oder eine Redaktionsassistenten), zählt zu den Höhepunkten des Buches. Beutin, der kürzlich seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, spannt mit „Erzählungen“ auch einen Bogen über die Themen seiner Generation, ohne jedoch gestrig zu wirken. Das früheste Stück in diesem Buch ist „Meyer willer heißn“, eine Erzählung, die Beutin 1956 als Student veröffentlicht hat. Sie ist ein mundartliches Drama einer zufällig zusammengewürfelten
Menschenschar in einem Bunker während des Zweiten Weltkrieges und so eindringlich wie Borcherts „Draußen vor der Tür.“ Der Autor erwähnt in seinen Erzählungen Begriffe und Lebenswirklichkeiten, die Jüngere nicht mehr kennen. Da gibt es „Zivilingenieure“, einen „Spätheimkehrer“ oder einen Streit um marxistische Literaturauslegung, die den Erzähler fast seinen Job kostet. Alles ist so spannend, dass man dieses Buch in einem Zug durchlesen muss. Schade, dass es so dünn ist. Wann folgt der nächste Beutin-Band?


Stormarner Tageblatt vom 24.11.2009



4.2.2010, Wolfgang Beutin stellt den Erzählungs-Band in der Heinrich-Heine-Buchhandlung in Hamburg vor:

 


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